Der Vertrieb spielt eine zentrale Rolle in der Wachstumsstrategie jedes Unternehmens. Besonders bei der Einführung neuer Produkte sind Vertriebsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter das entscheidende Bindeglied zwischen Innovation und Markt. Doch die Steuerung dieser Vertriebsaktivitäten gestaltet sich oftmals als Herausforderung: Welche Kontrollsysteme fördern die besten Ergebnisse? Und wie können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Vertriebsmitarbeiter die richtigen Anreize haben, um sowohl kurzfristige Umsätze als auch nachhaltiges Wachstum zu erzielen?
In diesem Blogbeitrag werfen wir einen tiefgehenden Blick auf aktuelle Forschungsergebnisse, die sich mit der Effektivität verschiedener Steuerungssysteme im Vertrieb beschäftigen. Dabei beleuchten wir insbesondere die Unterschiede zwischen ergebnisorientierten und aktivitätsorientierten Kontrollmechanismen und deren Auswirkungen auf das Verhalten und die Leistung der Vertriebsmitarbeiter. Diese Erkenntnisse sind für Unternehmen relevant, die ihre Vertriebssteuerung optimieren und individuell auf die Eigenschaften ihrer Mitarbeitenden abstimmen möchten.
Die Bedeutung der Vertriebssteuerung im Fokus
Vertriebssteuerung ist ein entscheidender Baustein im Rahmen des Verkaufsmanagements. Sie bestimmt, wie viel Anstrengung, welche Art von Aktivitäten und welche Ziele die Vertriebsmitarbeiter verfolgen. Hierbei kommen verschiedene Kontrollsysteme zum Einsatz:
- Ergebnisorientierte Kontrolle (Outcome-Based Control): Hierbei werden die Mitarbeitenden anhand konkreter Ergebnisse bewertet, etwa Umsatzziele, Verkaufsquoten oder Gewinnmargen. Das Ziel ist es, die Vertriebsleistung messbar und vergleichbar zu machen.
- Aktivitätsorientierte Kontrolle (Activity-Based Control): Diese Steuerung fokussiert auf die Prozesse und Aktivitäten, die zum Erfolg führen sollen. Beispielhaft sind die Anzahl der Kundenbesuche, durchgeführte Präsentationen oder Angebotsabgaben.
Während beide Systeme ihre Vorteile haben, zeigen aktuelle Forschungen, dass sie auch unterschiedliche Auswirkungen auf das Verhalten und die Leistung der Mitarbeitenden haben.
Das Dilemma: Outcome- vs. Activity-Control im Vertrieb
In der Praxis stehen Unternehmen vor der Herausforderung, das richtige Kontrollsystem für ihre Vertriebsmitarbeiter zu wählen. Ergebnisorientierte Systeme sind oft beliebt, weil sie klare Ziele setzen und einfache Messgrößen bieten. Doch sie bergen auch Risiken: Sie können dazu führen, dass Mitarbeitende nur auf kurzfristige Abschlüsse hinarbeiten und dabei potenzielle Chancen, z.B. den Aufbau nachhaltiger Kundenbeziehungen, vernachlässigen. Dieses Verhalten wird auch als *Myopie* bezeichnet.
Auf der anderen Seite versprechen aktivitätsorientierte Systeme, durch die Fokussierung auf konkrete Aktivitäten, eine umfassendere Steuerung der Vertriebsprozesse. Sie sollen die Mitarbeitenden motivieren, mehr Einsatz zu zeigen, und auch die Qualität der Vertriebsarbeit verbessern. Doch Kritiker warnen vor einer Übersteuerung, die zu Mikromanagement führen und die Eigeninitiative sowie die Flexibilität der Vertriebsmitarbeitenden beeinträchtigen könne.
Gerade bei komplexen Produkten oder beim Verkauf innovativer Neuentwicklungen gilt es, eine Balance zwischen beiden Ansätzen zu finden. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass die Mitarbeitenden sowohl effizient arbeiten als auch das richtige Verhalten zeigen.
Erkenntnisse aus der aktuellen Forschung: Empirische Analyse aus Japan
In einer aktuellen Studie wurde genau dieses Spannungsfeld zwischen Ergebnis- und Aktivitätskontrolle im Vertrieb untersucht. Das Besondere an dieser Forschung ist, dass sie auf echten, objektiven Daten basiert, die regelmäßig in einem Elektronikunternehmen in Japan erhoben wurden. Damit können die Ergebnisse kaum von subjektiven Einschätzungen abhängen, sondern liefern konkrete Hinweise auf die Wirkmechanismen.
Zentrale Ergebnisse der Studie
– Negative Wirkung der Menge des Verkaufsaktivitäten auf Verkaufsquoten: Es stellte sich heraus, dass eine höhere Menge an Vertriebsaktivitäten (z.B. mehr Besuche, mehr Angebote) zu einer Verschlechterung bei den angegebenen Verkaufsquoten führte. Dies bedeutet, dass eine reine Steigerung der Aktivitäten möglicherweise nicht zu höheren erzielten Umsätzen führt.
– Positive Wirkung auf Meilensteine des Umsatzes: Gleichzeitig zeigte sich, dass die höhere Aktivitätsmenge aber sehr wohl die Wahrscheinlichkeit erhöht, bestimmte Meilensteine im Verkaufsprozess zu erreichen, etwa die Generierung eines neuen Projekts oder den Abschluss eines Verkaufs. Damit ist klar: Mehr Einsatz führt nicht immer direkt zu mehr Umsatz im Sinne der Zielvorgaben, fördert aber dennoch wichtige Zwischenschritte im Verkaufsprozess.
– Moderierende Rolle der Qualität der Verkaufsaktivitäten: Entscheidender Faktor ist jedoch die Qualität der Aktivitäten. Wenn die Vertriebsmitarbeitenden qualitativ hochwertigen Einsatz zeigen — etwa durch eine gezielte Kundenansprache, durchdachte Angebote, oder eine tiefgehende Bedarfsanalyse — dann wirkt sich die hohe Aktivitätsmenge weniger negativ auf die erzielten Umsatzziele aus. Mit anderen Worten: Hochwertiger Einsatz kann die Effekte der Quantität abpuffern.
Implikationen für die Praxis
Das bedeutet: Der reine Blick auf die Menge der Vertriebsaktivitäten reicht nicht aus. Vielmehr ist die Qualität dieser Aktivitäten entscheidend. Unternehmen sollten daher nicht nur zahlenbasierte Kontrollen setzen, sondern auch die Kompetenz und das Verhalten ihrer Mitarbeitenden fördern.
„Smart workers” vs. „Hard workers“: Welche Kontrollsysteme passen?
Die Studie schlägt vor, dass unterschiedliche Mitarbeitertypen unterschiedlich auf Steuerungssysteme reagieren:
– Smart workers: Mitarbeitende mit hoher Kompetenz, Motivation und qualitativ hochwertigem Einsatz. Für sie sind Ergebnisorientierte Systeme passend, da sie bereits über das Wissen und die Fähigkeiten verfügen, um auf Zielerreichung hinzuarbeiten. Ergebnisbasierte Kontrollen motivieren diese Mitarbeitenden, ihre Qualität hochzuhalten, und reduzieren die Versuchung zu kurzfristigem oder myopischem Verhalten.
– Hard workers: Mitarbeitende mit geringerer Qualifikation oder Motivation. Für diese Gruppe sind aktivitätsbasierte Systeme effizienter, weil sie klare Vorgaben und Kontrollen bieten, die das Engagement steigern. Dadurch können sie mehr Struktur und Orientierung bekommen und ihre Leistung verbessern.
Der Schlüssel liegt in der individuellen Abstimmung: Unternehmen sollten anhand ihrer Mitarbeitenden assessen, welche Steuerungsmechanismen am besten passen, um sowohl Effizienz als auch nachhaltigen Erfolg zu sichern.
Praktische Empfehlungen für Unternehmen
Basierend auf den Forschungsergebnissen lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten:
1. Kombinierte Steuerungssysteme nutzen: Setzen Sie sowohl Ergebnis- als auch Aktivitätskontrollen ein, aber modulieren Sie sie je nach Mitarbeitertyp und Situation.
2. Qualität vor Quantität: Fördern Sie Schulungen zur Verbesserung der Vertriebsqualität, anstatt nur die Aktivitätszahlen zu messen.
3. Individuelle Anpassung: Analysieren Sie die Fähigkeiten und Motivationen Ihrer Mitarbeitenden und passen Sie die Steuerungssysteme entsprechend an.
4. Vertrauensvolle Führungskultur etablieren: Vertrauen Sie hochwertigen Mitarbeitenden, autonome Entscheidungen zu treffen, und setzen Sie bei weniger erfahrenen auf klare Vorgaben.
5. Kontinuierliches Monitoring: Überwachen Sie sowohl die Ergebnisse als auch die Aktivitäten regelmäßig, um frühzeitig auf Verhaltensänderungen reagieren zu können.
6. Anreize klug setzen: Nutzen Sie Anreizsysteme, die sowohl quantitative Ziele (Umsätze) als auch qualitative Aspekte (Kundenbindung, Projektentwicklung) berücksichtigen.
Fazit: Der richtige Mix macht den Erfolg
Vertriebssteuerung ist eine komplexe Aufgabe, die nicht mit der Einführung eines einzigen Kontrollsystems gelöst werden kann. Stattdessen kommt es auf die richtige Balance zwischen Ergebnis- und Aktivitätskontrolle an, angepasst an die individuellen Eigenschaften der Vertriebsmitarbeitenden.
Die aktuellen Forschungsergebnisse zeigen deutlich: Hochwertige Aktivitäten sind der Schlüssel, um Kurzsichtigkeit im Vertrieb zu vermeiden und nachhaltigen Erfolg zu sichern. Unternehmen, die diese Erkenntnisse nutzen, können ihre Vertriebsstrategie gezielt optimieren, die Mitarbeitermotivation steigern und letztlich ihre Umsätze nachhaltig steigern.
Indem sie die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden berücksichtigen, schaffen sie ein Umfeld, in dem sowohl „smarte“ als auch „harte“ Vertriebsmitarbeitende optimal zur Geltung kommen.
Zur vollständigen Studie: https://doi.org/10.1080/23311975.2024.2419496



